Das Gelände der ehemaligen NS-Ordensburg ist weitläufig. Als Internationaler Platz (IP) für Toleranz, Vielfalt und friedliches Miteinander ist die einstige Schulungsstätte des Nationalsozialismus heute Bildungszentrum und Erlebnisort für Kunst und Kultur und ebenfalls Wanderzentrum. Mehrere Rundwege verlaufen über Vogelsang. Der Urftsee ist in unmittelbarer Nähe. Ein schöner Ort. Dennoch muss ich zwangsläufig an die dunkle, historische Periode denken, die mit der Existenz des Ortes einhergeht. Die dunklen, robusten und massiven Steinbauten auf dem Gelände tragen dazu bei.
Das Gästehaus K13 befindet sich ebenfalls in einem langen Gebäude aus Stein, das mich an eine Kaserne erinnert. Von der Bushaltestelle gehe ich einen kleinen Hügel herunter. Wow. Von hier hat man einen unglaublichen Blick auf den Urftsee. Beim Eintreten fühl ich mich direkt in meine Schulzeit zurückversetzt. Jugendherbergen-Vibes, wohin ich auch blicke. Ich werde herumgeführt. Kaffeeautomat hier, Weinkühlschrank da, Zimmer oben. Und übrigens: „Sie sind ja heute allein hier. Schließen Sie die Eingangstür dann heute Abend einfach von innen ab.“ „Ach, Sie sind heute Abend auch nicht mehr da?“, frage ich verdutzt und schaue vermutlich noch verdutzter als mir ein „Nein, später nicht mehr“ entgegenkommt. Ich wollte meine Ruhe und mache mich deswegen auch gleich auf den Weg. Aber dass es so ruhig werden wird?
Meine Gedanken, Vogelgezwitscher, Wasserplätschern und Ich. Um den Urftsee zu wandern, ist so beruhigend. Und idyllisch. Da es mitten in der Woche ist, ist kaum eine Menschenseele hier. Nur zwei ältere Herrschaften kommen mir mit einem Fernglas entgegen. Ob sie wussten, dass es hier sogar eine offizielle Bird-Watching-Station gibt? Ich bleibe immer wieder am Ufer stehen und genieße die Aussicht. Je nach Lichteinfall ändert sich die Farbe des Wassers. Die dichten Baumkronen, die den Urftsee umgeben, sehen mit ihren unterschiedlichen Grüntönen aus wie getuscht. Wie schön soll’s noch werden? Als würde die Viktor-Neels-Brücke und die Urfttalsperre „so schön“ schreien. Von der Fußgängerbrücke und der Talsperre gibt’s nochmal einen ganz besonders herrlichen Ausblick über den See.
Was für eine skurrile Situation, denke ich, als ich die Tür des K13 aufschließe. Das riesige Gästehaus und ich. Ich streune durch den Gemeinschaftsraum, tippe auf der Kaffeemaschine auf „Latte Macchiato“ und gehe in die obere Etage. Neben meinem Zimmer befindet sich hier auch eine Art Kaminzimmer. Super gemütlich, mit bester Aussicht. Ganz allein, mitten in der Eifel, in einem riesigen Haus - kommt es mir wieder in den Sinn und ich muss grinsen. Den Gedanken, dass meine Situation das ideale Horrorfilm-Setting ist, schiebe ich schnell an die Seite. Kontrolliere aber trotzdem noch einmal, ob die Tür abgeschlossen ist.