Wenn Du ein Brauhaus betrittst, besuchst Du damit zugleich eine andere Welt. Herkunft und Hierarchien sind egal, es gibt kein „Sie", nur das „Du" und es ist leicht, neue Leute kennenzulernen. Hier wird nämlich nicht nur Bier gebraut, teilweise schon seit vielen Generationen, sondern es finden sich gesellige Runden zusammen, mitunter entstehen richtige Freundschaften. Alt oder jung, Stammgast oder Neuling, forsch oder zurückhaltend: Rund um die Zapfhähne in Nordrhein-Westfalen finden unterschiedlichste Menschen zusammen. Die Biere, die sie dort trinken, sind ebenfalls äußerst vielfältig: Denn Nordrhein-Westfalen ist nicht nur das bevölkerungsreichste Bundesland Deutschlands, sondern auch das mit den meisten Biersorten. Die Klassiker sind dabei Kölsch, Altbier und Pils.
Kölsch:Mehr als ein Bier
In Köln ist Kölsch mehr als ein Bier – das helle, obergärige Gebräu ist für die Bewohner:innen der Stadt ebenso identitätsstiftend wie der Kölner Dom. Die Geschichte des lokalen Bieres ist auch fast so alt wie die des Doms: Bis ins 13. Jahrhundert reichen die Aufzeichnungen über das Kölsch-Brauen zurück. Heute gibt es über 25 verschiedene Marken: Von Früh, über Päffgen und Sion bis hin zu Reissdorf und Gilden. Teilweise stammen sie aus Großbrauereien, andere werden noch in klassischen Hausbrauereien gebraut und in angeschlossenen Gasthäusern ausgeschenkt.
So etwa in der Brauerei Zur Malzmühle, in der das Mühlenkölsch auf den Tisch kommt, das auch dem amerikanischen Präsidenten schon gut geschmeckt hat. Dort bringt Timo Eckstein das frisch gezapfte Bier in den typischen Kölsch-Stangen an den Tisch. Als Köbes gehört er zu einer besonderen Spezies der Kellner und trägt mit seiner Art zum Brauerei-Erlebnis bei – mal vorlaut und herb, mal einsilbig und trocken, dann wieder herzlich und heiter. Je nach Gegenüber sorgt er so für Verblüffung oder Gelächter. „Als Köbes darfst du forsch sein, aber nie unverschämt, sagt er. Denn „jeder Tisch ist eine Bühne“. Da wird kokettiert und geflirtet, gefoppt und gelacht.
Altbier-Tour:Mit Hausbesuchen in der Düsseldorfer Altstadt
Altbier fließt vor allem in Düsseldorf und Umgebung aus den Zapfhähnen. Und das schon sehr, sehr lange: Die älteste Altbierbrauerei der Welt stellt seit 1266 das Hopfengetränk am Niederrhein her und noch immer schenkt die kleine Privatbrauerei Bolten in Korschenbroich das traditionelle Ur-Alt an gleicher Stelle aus. Übrigens deutet der Name für das süffige, dunkle Bier nicht darauf hin, dass es älter ist oder länger gebraut wird. "Altus" kommt aus dem Lateinischen, bedeutet "hoch" und bezieht sich auf die steigende Hefe dieses obergärigen Bieres.
Der (welt-)bekannteste Ort für eine Altbier-Tour ist die Düsseldorfer Altstadt. An der „längsten Theke der Welt“ laden mit Schumacher, Uerige, Kürzer, Füchsschen und Schlüssel allein fünf Hausbrauereien dazu ein, die Trinkkultur aus nächster Nähe kennenzulernen. Insgesamt befinden sich rund 260 Kneipen, Restaurants und Bars auf dem halben Quadratkilometer, da findet sich für jeden Hunger oder Durst das Passende. Aber Vorsicht: Wer im Brauhaus kein Bier, sondern etwas anderes, zum Beispiel Mineralwasser bestellt, sollte sich auf einen Spruch des Köbes‘ gefasst machen. „Sin mer hee em Schwemmbadd oder wat?“ Oder: „Willste dich waschen? Seife und Handtuch bring ich auch gleich vorbei!“ Bei einer Bier-Bestellung dagegen werden meist gar keine Worte verloren: Ist das Glas leer oder so gut wie leer, bringt der Köbes unaufgefordert ein neues. Aber irgendwann ist auch der bierseligste Abend vorbei, dann kommt einfach ein Bierdeckel auf das leere Glas - und schon weiß der Köbes Bescheid. Diese Zeichen-Sprache gilt in Düsseldorf wie auch in Köln.
Pils und Dortmunder Export:Geschichte mit viel Gefühl
Während Kölsch und Altbier eher regionale Spezialitäten sind, ist Pils auf der ganzen Welt bekannt – und gleich mehrere Pilsbrauereien von Weltrang sind in NRW zu Hause, darunter Krombacher, Warsteiner, Veltins und König Pilsener. Beinahe überall im Land kommen Besuchende in den Genuss eines echten und nach deutschem Reinheitsgebot gebrauten Bieres nach Pilsener Brauart – nur in den traditionellen Brauhäusern in Köln und Düsseldorf sollte man sich besser an Kölsch oder Alt halten, will man keinen abfälligen Blick des Köbes‘ ernten.
Im Ruhrgebiet hat das Pils Tradition. In der Bochumer Privatbrauerei Moritz Fiege wird es seit 1926 gebraut, die familiäre Brauhistorie an sich reicht noch weitere 200 Jahre zurück. Zeit spielt auch beim Brauprozess an sich eine Rolle: Behutsames Brauen und langsames Reifen gehören zur Philosophie der „Slow Brewing zertifizierten“ Brauerei.
Viel Gefühl ist auch in Dortmund beim Bier im Spiel, die Dortmunder lieben den Gerstensaft und sind stolz auf ihre Brau-Tradition, die bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht und im 19. und 20. Jahrhundert zu Höchstleistungen auflief. Mit dem Dortmunder Export, einer eigenen Biersorte, hat die Stadt einst gar Weltruhm erlangt und ist umsatzmäßig lange sogar Europas Biermetropole Nummer 1 gewesen. Im Brauerei-Museum wird diese Geschichte anschaulich erzählt, Abfüll- und Flaschenreinigungsautomaten aus den 1950ern und eine Theke mit Zapfsäule aus den 1920er-Jahren inklusive. Weithin sichtbar zeugt das „Dortmunder U“, das denkmalgeschützte frühere Gär- und Lagerhochhaus der Union-Brauerei, von dieser Hochzeit. Heute ist es ein Kulturzentrum neuen Typs für Kunst, Forschung, kulturelle Bildung und Kreativität. Oben auf dem Dach leuchtet noch ein goldenes U, das längst zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden ist. Authentischen Biergenuss gibt’s in einer der Ur-Dortmunder Kneipen, zum Beispiel am Alten Markt. Dort genießen Durstige ein kühles Helles entweder im traditionellen Schanksaal oder im Biergarten. Überhaupt wird Bier im Ruhrgebiet gern unter freiem Himmel und auch im Stehen getrunken: Am Kiosk, das hier an jeder Ecke zu finden ist, legen Einheimische wie Gäste gern mal eine Pause ein zum Plauschen und Pilstrinken. Diese Büdchenkultur wird sogar regelmäßig gefeiert: Beim Tag der Trinkhalle bieten teilnehmende Kioske in der ganzen Region neben gemischter Tüte und Bier auch ein kostenloses Kulturprogramm.
Na dann:Prost!
Viele Städte und Regionen in Nordrhein-Westfalen haben ihre ganz eigenen Biere und Brauereien, die zwar meist nur regional bekannt sind, aber ebenfalls hervorragende Qualität liefern. Ob klein oder groß, Alt, Kölsch oder Pils: An vielen Orten in NRW können Gäste ihr Bier nicht nur gemütlich trinken und dabei Land und Leute aus nächster Nähe kennenlernen, sondern auch spannende Geschichten rund um den leckeren Gerstensaft erfahren oder sich selbst in der Braukunst üben. In Düsseldorf beispielsweise geht es bei einer geführten Altbier-Safari durch die Brauereien der Düsseldorfer Altstadt, in Köln werden bei einer Kölsch-Tour zum Bier auch deftige Brauhaus-Speisen serviert und auch die großen Brauereien bieten eigene Erlebnisführungen an, Verkostung natürlich inklusive.
Verkosten kannst Du die regionalen Spezialitäten aber natürlich auch sehr gut auf eigene Faust – und Du wirst feststellen: In geselliger Runde am Brauhaustisch oder an der Kneipen-Theke schmeckt Gebrautes noch viel besser als allein zu Hause.
Ganz gleich, ob Pils, Alt oder Kölsch: Rund um die Zapfhähne in Nordrhein-Westfalen finden unterschiedlichste Menschen zusammen, unterhalten sich und kommen sich näher. Erst durch Gesellschaft wird das Biererlebnis komplett. Na dann: Prost!