Urlaubsfeeling am BaggerseeVolker Dingebauer

Der moderne Landwirt von heute trägt Jeans, Turnschuhe und dunkle Steppjacke. Volker Dingebauer kommt gerade aus dem Stall, als Hofhund Tessa unseren Besuch bereits angekündigt hat. Das Tier weicht dem Landwirt nicht von der Seite, während dieser unseren Blick auf den Diersfordter Waldsee direkt vor seiner Haustür lenkt. „Ich muss nur die Straßenseite wechseln, und schon bin ich im Urlaub“, sagt der 58-Jährige mit einem Lächeln. Denn am Ufer des Baggersees in Wesel-Bislich ankern fünf hölzerne, teils mit privater Panorama-Sauna ausgestattete Hausboote. DeinNRW hat den Milchbauern mit hofeigener Hausbootvermietung besucht und ein natürliches Kleinod am Niederrhein entdeckt.

Ganz sacht schaukelt die „Biberburg“ hin und her. Leichter Wellengang setzt das immerhin 36 Tonnen schwere, fest am Ufer verankerte Holzhaus in Bewegung. Und für einen Moment kommt auf der großen Terrasse tatsächlich das Gefühl auf, als würde man hinaus fahren auf den Baggersee, dessen Wasser in der Sonne bläulich-türkisch schimmert. „Der See ist mit mir gewachsen“, erzählt Volker Dingebauer dann. Denn einst bewirtschafteten hier dutzende Landwirte wie er ihre Höfe. Die meisten von ihnen sind dem Kiesabbau gewichen. Und noch versperren riesige Bagger, die hier aus zwanzig Metern Tiefe unermüdlich den Sand abtragen, ein wenig den Blick bis zu Waldrand am anderen Ufer des Sees. Doch schon jetzt wirken sie aus der Ferne klein wie Spielzeug-Autos, und bald werden sie ganz verschwunden sein und den Platz seltenen Tieren wie dem Kormorane und arktischen Wildgänsen überlassen, die sich hier ein Stück Natur zurückerobert haben. Sogar einen Seeadler hat Volker Dingebauer schon gesichtet, und wenn im Herbst die Wildgänse Richtung Süden ziehen, ist das ein ganz besonderes Spektakel. „Es kommen auch jedes Jahr Storchenpaare, um hier bei uns zu nisten“, sagt der Naturliebhaber und zeigt stolz auf einen Mast in den hofeigenen Streuobstwiesen. Er selbst hat hier vor einigen Jahren das Storchennest gebaut.

Volker Dingebauer am Hausboot
Ralph Sondermann, Tourismus NRW e.V.
Volker Dingebauer

"Der See ist mit mir gewachsen."

Besuch bekommen die Urlauber, wenn sie gerade im Strandkorb auf ihrer Terrasse sitzen oder einfach nur die Beine im Wasser baumeln lassen, regelmäßig auch vom Biber. Am Ufer, das Volker und Dorothee Dingebauer liebevoll mit tausenden Blumen, Sträuchern, Trauerweiden und fast 4000 Jahre alten Mooreichen bepflanzt haben, sind seine Spuren deutlich zu sehen. Gern unternimmt der Milchbauer, der im Moment noch nicht daran denkt, die Landwirtschaft aufzugeben, seine Gäste auch mit auf eine Bibertour. Mit einem selbst umgebauten Segelboot, das in Volker Dingebauers „kleinem Hafen“ neben einem ausrangierten Tretboot an einen Pfahl angebunden ist, geht es am frühen Morgen, wenn der Nebel den See in fast mystische Stimmung taucht, raus zu einer kleinen Insel. Dort, in dem kleinen, natürlichen Schutzgebiet, lassen sich Haubentaucher und Flussseeschwalben gut beobachten. Es gibt aber auch eine kleine Fischereifläche für Angler.

Ein Fernglas gehört deshalb zur Standardausstattung der fünf auf riesigen Pontons schwimmenden Hausboote, die ausschließlich aus natürlichen Materialien wie sibirischem Lerchenholz gebaut sind. „Das imprägniert quasi von selbst“, erklärt der Vermieter beim Betreten der großzügigen Räume mit Blick auf den See. Die Sonne scheint durch ein Bullauge an der Seite und die großen Panoramafenster vor der Terrasse, von wo aus die Gäste direkt ins Wasser springen können oder in den gemütlichen Hängesesseln die Abenddämmerung genießen können. Sogar einen eigenen Bootsanleger gibt’s direkt am schwimmenden Ferienhaus. Und wenn es mal kühl wird, können die Urlauber in ihrer ganz privaten Sauna schwitzen und gleichzeitig das Geschehen auf dem Wasser überblicken.

Denn bei der Planung und Ausstattung der Boote hat Volker Dingebauer viel Wert auf Qualität gelegt. Seine Gäste sollen sich nicht nur wohlfühlen, sondern auch wenig Luxus genießen. Bei der Deko allerdings hält er sich raus. „Dafür ist meine Frau zuständig“, sagt der 58-Jährige und winkt lässig ab. „Die hat mit ihrem Geschmack am Ende eh‘ recht.“ Hat sie. Kleine Details wie das „Lieblingsplatz“-Kissen, die Küchenuhr in Form einer bunt bemalten, natürlich unbenutzten Fischkonserve und spektakuläre Naturaufnahmen an den Wänden machen jedes der fünf Boote zum ganz individuellen, gemütlichen Feriendomizil „sozusagen für die Softies unter den Bootsfahrern“, wie der engagierte Niederrheiner mit westfälischen Wurzeln schnell noch scherzhaft hinzufügt.

Die Idee ...... hatte Ehefrau Dorothee

Dorothee Dingebauer, Mutter von drei bald erwachsenen Kindern und ebenfalls auf einem landwirtschaftlichen Hof aufgewachsen, war es schließlich auch, die vor gut zehn Jahren die Idee mit der Hausboot-Vermietung hatte. In Europa wurde damals heftig um die Aufhebung der Milchquote gestritten, und auch ihr Mann zog mit Plakaten vor das EU-Parlament in Brüssel. Bis das Ehepaar auf einer Messe die Hausboote entdeckte. Nach einem „Selbstversuch“ beim Familienurlaub schließlich stand der Plan. Über den bürokratischen Aufwand, der ihm damals noch bevorstand, kann Volker Dingebauer heute schon beinahe lachen. Lieber berichtet er deshalb davon, wie vor gut eineinhalb Jahren die ersten beiden Boote mit überdimensionalen Schwerlastern in den entlegenen Winkel am Niederrhein gebracht wurden und dass die Verankerungen für die nächsten Boote bereits montiert sind. Denn umso mehr freut ihn, dass die Familie zusammengehalten hat und gelassen in die Zukunft blicken kann. Immerhin waren alle fünf Boote noch vor dem eigentlichen Saisonstart bereits 100 Tage gebucht.

Kopfweiden am Niederrhein
Kopfweiden am Niederrhein, Ralph Sondermann, Tourismus NRW e.V.
Kuhstall von Volker Dingebauer, Niederrhein
Kuhstall von Volker Dingebauer, Niederrhein, Ralph Sondermann, Tourismus NRW e.V.
Kälbchen am Hof von Volker Dingebauer, Niederrhein
Kälbchen am Hof von Volker Dingebauer, Niederrhein, Ralph Sondermann, Tourismus NRW e.V.
Volker Dingebauer mit Pferd, Niederrhein
Volker Dingebauer mit Pferd, Niederrhein, Ralph Sondermann, Tourismus NRW e.V.

Denn auch die Gäste, die vor allem aus den großen Städten kommen, schätzen in ihrem Urlaub im kleinen Wesel-Bislich nicht nur die Abgeschiedenheit in der Natur, sondern vor allem die familiäre Atmosphäre bei den Dingebauers. So gibt es zur Begrüßung immer Sekt oder Apfelsaft aus eigener Produktion, und schon bald bekommt jedes Boot seine eigene Brötchen-Box. Lieferdienst vom Bauern selbstverständlich inklusive. Auch gibt Dorothee Dingebauer gern Tipps für Touren, Restaurants oder Einkaufsmöglichkeiten in der Umgebung. Für Ausflüge durch die Felder oder am Deich entlang stehen außerdem Fahrräder und Pedelecs bereit. „So lerne ich meine Heimat selbst noch einmal besser kennen“, sagt Dorothee Dingebauer. Nicht einmal 45 Minuten dauert es beispielweise mit dem Fahrrad zur Fähre, die nach Xanten übersetzt. Bei vielen Gästen ein beliebtes Ziel für eine Tagestour.

Einen Abstecher aber machen garantiert alle Gäste. „Jeder, der bei uns Urlaub macht, kommt mindestens einmal in den Stall“, schätzt der Landwirt, dessen 65 Milchkühe zwei oder drei Mal am Tag gemolken werden müssen. Seit einiger Zeit übernimmt dies ein Roboter, so dass Volker Dingebauer mehr Zeit für sein zweites berufliches Standbein hat. Trotzdem steht der Chef, der den Hof von seinen Eltern geerbt hat, auch weiterhin jeden Morgen um halb sieben Uhr auf und schaut regelmäßig im Stall vorbei. Und er tut es gern. Er ist auf dem Hof aufgewachsen und heute selbst Landwirt „mit Herzblut“, wie der 58-Jährige behauptet. Er weiß seine neue Unabhängigkeit aber auch zu genießen. Denn wenn er abends gemeinsam mit Ehefrau Dorothee mit dem Boot raus auf den See fährt, eine Flasche Rotwein mit dabei, dann ist der Tag perfekt. Wie sagte Volker Dingebauer schließlich so schön:

"Ich muss nur die Straßenseite wechseln, und schon bin ich im Urlaub."

Am Niederrhein verwurzeltDrei Fragen an Volker Dingebauer

Herr Dingebauer, Sie haben 48 Stunden freie Zeit. Was würden Sie mit dieser Zeit auf jeden Fall in NRW machen?
Volker Dingebauer: Das fällt mir so manches ein. Das Neanderthal zum Beispiel. Das liegt ja sozusagen hier vor der Haustür, und ich war schon so lange nicht dort. Am liebsten aber würde ich wandern. In der Eifel ist es ganz toll, und schon immer gereizt hat mich auch der Rheinsteig bei Bonn. Aber danach komme ich auch wieder gern zurück zum Niederrhein. Denn ich bin so ein Typ nach dem Motto: Ich bin gerne mal kurz weg, aber dann am liebsten wieder zu Hause.
 

Welchen Ort in NRW haben Sie zuletzt für sich neu entdeckt?
Volker Dingebauer: Das ist eigentlich die direkte Umgebung hier rund um Bislich. Da guckt man im Alltag oft gar nicht mehr genau hin. Ich radele abends gern noch eine Runde über den Deich. Auf Schloss Diesfordt mache ich dann Halt, setze mich mal für einen Moment hin und genieße einfach die Landschaft. Übrigens habe ich außerhalb von NRW erst kürzlich auch die Emsauen bei Papenburg für mich entdeckt. Aber vermutlich hat es mir dort eben gerade deshalb so gut gefallen, weil die Landschaft fast so schön ist wie hier bei uns am Niederrhein. Das kam mir irgendwie bekannt vor.

Ihr persönlicher Lieblingsplatz in NRW.
Volker Dingebauer (lacht): Ich bin zwar evangelisch, aber einer meiner liebsten Plätze ist tatsächlich der Garten der katholischen Kirche in Bislich. Hier sitze ich gern auf der kleinen Bank mit Blick auf das Storchennest, das ich selbst vor einigen Jahren für die Schule gebaut habe und in dem tatsächlich jedes Jahr Störche nisten.

Stadt, Auen und RheinVolke Dingebauers Lieblingsorte

  • See im Naturschutzgebiet Dingdener Heide im Sonnenuntergang
    Johannes Höhn, Tourismus NRW e.v.
    Niederrhein
    Am Niederrhein trifft Geschichte auf Landidylle.
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  • Blässgänse Bislicher Insel
    Tourismus NRW e.V.
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    Das Naturschutzgebiet Bislicher Insel: In einer der letzten naturnahen Auenlandschaften am Niederrhein gibt es jede Menge tierische Bewohner zu entdecken. Das RVR-NaturForum erklärt Naturfans anschaulich den Lebensraum Aue.
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  • Düsseldorf
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