Um gleich Missverständnisse zu vermeiden: Timo Eckstein hat nichts gegen Frauen. Ganz bestimmt nicht. Wenn es allerdings um seinen Beruf geht, „dann werde ich zum Chauvinisten“, sagt der bärtige Mann und fügt mit einem charmanten Lächeln hinzu: „Ich bin der Köbes, Frauen sind Kellnerinnen“. Kapiert. Doch Timo, der zuletzt in der Kölner Kultkneipe Lommerzheim gearbeitet hat und mittlerweile in der ebenso für die Stadt berühmten Brauerei „Zur Malzmühle“ serviert, meint es gar nicht böse. Im Gegenteil. Denn für den Job als Köbes muss Mann schon irgendwie geschaffen sein. Warum, das hat Timo DeinNRW bei einem Besuch in Köln erklärt.
Woher genau die Bezeichnung Köbes kommt, das weiß heute niemand mehr. Fest steht nur, dass Köbes die kölsche Form von Jakob ist. Ansonsten taucht er irgendwo im Brauhausnebel des 19. Jahrhunderts auf, wie es in Köln heißt. Nun mag es sein, dass damals viele Brauburschen („Brauers-Pooscht“), die tagsüber in der Brauerei arbeiteten und abends im Brauhaus bedienten, den Namen Jakob trugen. Eine andere Geschichte wiederum berichtet davon, dass es Jakobspilger gewesen sein sollen, die im Brauhaus bedienten, um ihre Reisekasse aufzubessern und dem Köbes seinen Namen gaben. Egal. Auf jeden Fall ist der Köbes noch heute der heimliche Chef im Brauhaus und keineswegs dem Gast, sondern ausschließlich dem Bier verpflichtet. Er ist aber auch Entertainer und Philosoph, manchmal ein bisschen derb, dabei immer charmant.
"Jeder Tisch ist eine Bühne“
„Als Köbes darfst du forsch sein, aber nie unverschämt.“ So beschreibt Timo seine Art im Umgang mit den Gästen. Denn „jeder Tisch ist eine Bühne“. Da wird kokettiert und geflirtet, gefoppt und gelacht. Und wenn ein Gast tatsächlich mal ein Altbier bestellt, „dann sag ich ihm, er soll das Kölsch einfach lange genug stehen lassen – dann wird es von selbst alt“. Und Pils? „Gibt’s im Schwimmbad umsonst.“ Um einen dummen Spruch ist Timo jedenfalls nie verlegen. „Ich trete den Leuten eben auf den richtigen Fuß“, sagt der junge Mann mit dichtem schwarzem Vollbart und dem gewinnbringenden Lachen.
In Köln, wo Timo seit mehr als 30 Jahren zu Hause ist und bei den Nippeser Lappepirate selbstverständlich auch gern Karneval feiert, gibt’s nun mal Kölsch, sonst nichts. Sauber gezapft muss es allerdings sein und frisch, darauf legt der Köbes, der was auf sich hält, großen Wert. Auch Timo, dessen Eltern viele Jahre lang selbst in Köln am Hansaring eine Kneipe hatten und er somit „in die Gastronomie irgendwie reingeboren wurde“, macht beim Zapfen keine Kompromisse. Schließlich hat der Gast ein Recht darauf, dass das Glas auch tatsächlich bis zum Servierstrich (wohlgemerkt handelt es sich bei der Kölschstange nicht um einen Eichstrich) gefüllt ist und ordentlich Schaum hat. „Sauber gezapft“, klärt Timo den Laien auf, „ist ein Bier nur, wenn es im Glas ordentlich Gardinen zieht“. Und jedes Bier braucht Schaum, egal ob ober- oder untergärig.
In den typischen kölschen Kneipen und Brauhäusern wie dem Lommerzheim in Köln-Deutz muss jeder Köbes selbstverständlich auch zapfen können. Vor allem aber braucht er Durchsetzungsvermögen. Denn schon bevor die kölscheste aller Kölschkneipen öffnet, „bilden sich vor der Tür Menschentrauben wie früher beim Sommerschlussverkauf“.
Da kann es passieren, dass der Köbes – übrigens gut zu erkennen an der langen blauen Schürze und der ledernen Geldtasche - alle 20 Minuten ein 50 Kilo schweres Holzfass nach vorne in den Schankraum schleppen und anstechen muss. Alle 20 Minuten also 31,5 Liter Kölsch: Genau so viel fasst die Dicke Bertha der Brauerei Päffgen, die im Lommerzheim eine lange Tradition fortsetzt. Schon seit 1959 gibt es das Brauhaus, wurde 45 Jahre von Hans „Lommi“ Lommerzheim und seiner Frau Annemie geführt. Um den wortkargen, aber schlagfertigen Wirt ranken sich viele Anekdoten. So soll er 1999, anlässlich des Weltwirtschaftsgipfels, einen Besuch des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton in seinem holzgetäfelten Schankraum abgelehnt haben. Der Grund: Die Stammgäste hätten draußen bleiben müssen.
Zum Bier, das im Brauhaus übrigens nicht bestellt, sondern vom Köbes gebracht wird, bis der Gast den Deckel aufs Glas legt, gibt es im Lommerzheim traditionell ein Kotelett. Doch nicht irgendeines. Die schon legendären Schweinekoteletts hier bringen satte 700 Gramm auf die Waage und stammen keineswegs vom Discounter. Alles, was in dem rustikalen Schankraum auf den Tisch kommt, stammt von Produzenten und Händlern aus der Region. Das ist der neue Wirt Frank Glitscher sich und seinen Gästen schuldig. Apropos: „An guten Tagen servieren wir bis zu 400 Koteletts .“ Pfingsten sollen es einmal sogar 1.200 gewesen sein.
Bei Gästen aus aller Welt beliebt ist auch Timos derzeitiger Arbeitgeber: die Traditionsbrauerei Zur Malzmühle. Sie ist die zweitälteste ihrer Art in Köln und war vor über 150 Jahren ursprünglich als Malzbier-Brauerei an den Start gegangen. Und noch heute ist das Malzbier neben dem Mühlen-Kölsch einer der Verkaufsschlager der Brauerei, die noch heute am Ursprungsort in der Kölner Altstadt braut. Besonders an Wochenende stehen auch hier die Menschen Schlange um an das ein oder andere Kölsch zu gelangen.
Köbes ist eben, wie gesagt, kein leichter Job. Und wenn Timo davon erzählt, kann man sich lebhaft vorstellen, wie sich der 1,75 Meter große, durchtrainierte Mann den Weg durch die eng an eng stehenden Gäste freimacht. Und warum Männer eben Köbesse sind und Frauen Kellnerinnen ... „Ich selbst bin für den Job eigentlich auch 10 Zentimeter zu klein“, schickt der frühere Eishockeyspieler rasch noch hinterher. Also will er lieber etwas anderes machen? „Auf keinen Fall. Mein Beruf geht mir mitten innet Herz.“
"Mein Beruf geht mir mitten innet Herz.“
So trifft man Timo auch in seiner Freizeit, wenn er nicht gerade mit seinen Kumpels auf seiner Harley an den vielen neuen Graffitis durch Nippes fährt, oft im Brauhaus. „Em Golde Kappes“ plaudert er gern mit seinen Kollegen. Schon als Kind war er oft mit seinen Eltern in dem traditionsreichen Wirtshaus, in dem es noch einen Beichtstuhl zu besichtigen gibt. Hier bekam der Köbes früher seinen „Kranz“ überreicht und es wurde abgerechnet, bevor er in den Schankraum ging. Heute läuft die Abrechnung über Bons oder „Märkchen“. Damals wie heute bezahlt der Gast aber immer erst am Schluss. Und da gilt im Brauhaus:
„Deckel ist Ehrensache“.
„Hier im Golde Kappes war samstags immer Familienzeit“, erinnert Timo sich an seine Kindheit. „Erst ging’s einkaufen, dann gab es hier einen Strammen Max, für meine Mutter ein Kölsch und für mich eine Limo, und dann gingen wir weiter einkaufen.“ Sein Vater, einst selbst Wirt, erzählte ihm damals gern Geschichten aus seiner Heimatstadt. Viele davon, wie etwa die Geschichte vom Erzbischof von Westerburg und der Schlacht von Worringen im Jahr 1288, hat der Sohn bis heute behalten. Denn der 38-Jährige, der an seinem freien Tag mit beiger Skaterhose, Fleece-Jacke, Basecap und dunkler Sonnenbrille kaum wiederzuerkennen ist, hängt an seiner Stadt. Und mehr noch an seinem Veedel. „Schließlich ist Köln ja auch nur ein Zusammenschluss von vielen kleinen Dörfern.“ Und wenn Timo heute durch die Straßen mit den vielen neuen Graffitis und Kneipen läuft, ist immer auch Zeit zu quatschen. Denn Timo kennt die Leute in Nippes, und sie kennen ihn.
Als Reminiszenz an „sein Köln“ versteht Timo auch sein Stadtlabel („Trois Rois“), das er vor einigen Jahren gemeinsam mit einem befreundeten Grafikdesigner gründete. Der Name „Trois Rois“ leitet sich natürlich von den drei Heiligen Königen ab, die den Kölnern sehr wichtig sind. Er greift aber auch den Einfluss der Franzosen auf. „Ich sage zum Beispiel immer noch trottoir“, so Timo. Auf T-Shirts, Kappen und Tassen prangen seither nun also die Namen von Stadtteilen wie Nippes, Deutz, Ehrenfeld und Kalk, darunter die alte Postleitzahl 5000 und ein kleiner Totenkopf, wie der Erfinder ihn auch am Finger trägt. In den kleinen trendigen Läden, die es mittlerweile in Nippes wieder gibt, verkaufen sich die Sachen gut. Denn wie Timo selbst sind die meisten Kölner irgendwie Lokalpatrioten. „Ich würde sogar behaupten“, sagt der 38-Jährige und muss selbst ein wenig lachen, „dass Köln die Stadt ist, die die meisten Devotionalien an die eigenen Leute verkauft.“ Denn auch „wenn Köln nicht mehr wirklich schön ist. Ich liebe diese Stadt.“
Immer am Rhein entlangDrei Fragen an Timo Eckstein
Timo, Du hast 48 Stunden freie Zeit. Was würdest Du mit dieser Zeit auf jeden Fall in NRW machen?
Timo: "Ganz klar, Motorrad fahren. Das ist überhaupt das Schönste: Helm an, auf die Harley und dann mit den Jungs durch die Gegend fahren."
Welchen Ort in NRW hast Du zuletzt für Dich neu entdeckt?
Timo: "Zeche Ewald in Herten. Da war neulich eine Motorrad-Veranstaltung. Da war ich das erste Mal dort. Die alte Industriekulisse hat mir auf Anhieb total gut gefallen!"
Dein persönlicher Lieblingsplatz in NRW?
Timo: "Der Rhein! Ich genieße es immer, irgendwo am Rhein zu sitzen oder dort spazieren zu gehen. Am schönsten ist es, wenn die Sonne so langsam untergeht und du schaust von einer der vielen Brücken auf’s Wasser, auf dem die Silhouette von Köln schimmert. Das hat dann schon etwas Mystisches."