Carsten Richter

Einmal Currywurst mit Pommes und Mayo, bitteDas Geheimnis ist die Sosse

Mit Kinderportionen hält Carsten Richter sich nicht lange auf. „Gibt’s bei mir nicht. Aus den Blagen soll schließlich was werden.“ Vegan ist ebenfalls nicht so sein Ding. Sollen seinetwegen die anderen machen. Bei Curry Heinz kommt die Wurst vom Metzger. Jeden Morgen frisch. Alles andere wäre für den 44-Jährigen keine Option. Auch so ein „Häcksel“-Automat, wie man ihn aus anderen Pommesbuden kennt, kommt ihm nicht in die Küche. Denn das Geheimnis von Carstens Körriwurst („ein Schreibfehler ...“) sind die Röstaromen. Und die Soße. „Wann haste denn mal wieder Erdbeer?“, fragt Dirk Heinen plötzlich den Mann hinter der Theke. Antwort: „Musse bei facebook gucken. Erdbeer war gestern.“ Heute müssen Carstens Stammgäste Dirk Heinen und Lars Sattler also mit dem Original Vorlieb nehmen. Klassische Currysoße mit frischen Tomaten. „Geht auch immer“, sagt Lars dann und will von seinem Kumpel wissen: „Sach ma, liegt das Rezept eigentlich im Tresor ...?“ Ein ganz normaler Dialog an einem ganz normalen Vormittag bei Curry Heinz in Gelsenkirchen.

Körriwurst in der Dose

Es ist kurz nach elf Uhr. Noch hat die legendäre Pommesbude an der Theodor-Otte-Straße in Gelsenkirchen-Sutum geschlossen. Doch die ersten Gäste stehen schon vor der Tür. Als Carsten dann um punkt halb zwölf die Tür öffnet, geht es bei Curry Heinz zu wie im – Achtung: Ruhrgebiet! - Taubenschlag. Handwerker machen Mittagspause an einem der wenigen Tische. Zwei Väter kommen mit ihren Söhnen vorbei. Die drei Jungs natürlich im Schalke-Trikot. Es gibt fünfmal Currywurst, Pommes und Mayo sowie für jeden eine „Körriwurst in der Dose“ zum Mitnehmen. Bevor sie wieder gehen, fragen sie Carsten noch nach dem Weg zum Stadion. Auch Lars und Dirk sind an diesem Vormittag da. Die beiden selbstständigen Unternehmer kommen mindestens einmal pro Woche. Gern auch mit Kunden. Der eine aus Bochum, der andere aus Gladbeck. Bisher haben die zwei Stammgäste sich noch nicht getroffen. Jetzt sind sie sofort beim Du, quatschen über Fußball, Bergbau und Harleyfahren.

„Themen gibt’s immer“, sagt Carsten Richter, der sich vor nunmehr 13 Jahren seinen Kindheitstraum von der eigenen Pommesbude erfüllt hat. Ehefrau Nicole nahm es gelassen. Und nimmt es noch. Sie ist meist die erste im Laden, steht in der Küche und lässt Carsten gern den Vortritt, wenn es darum geht, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. „Ach so, dann lässt du also deine Frau arbeiten“, frotzelt Lars. „Und was machst du den ganzen Tag?“ Der Chef antwortet, wie es seine Art ist. Kurz. Knapp. Trocken. „Ich bin das Gesicht ...“

Fussball-Fans haben gefehlt

Darauf angesprochen, wie er den Lockdown erlebt hat, wird der Familienvater jedoch ein wenig emotional. „Das war so richtig scheiße. Wir haben alle erstmal geheult“, gibt der sonst so coole, an den Armen flächendeckend tätowierte Mittvierziger zu. „Das war Endzeitstimmung. Ich dachte, ich wäre fertig damit.“ Zumal er eben erst drei neue, kleine Foodtrucks für Märkte und Events angeschafft hatte, die nun monatelang ungenutzt in der Garage standen. Vor allem aber fehlten ihm die Fußballfans, die sonst vor Heimspielen in der Veltins-Arena seinen mit blau-weißen Schals, Fotos und jede Menge Bergbau-Andenken dekorierten Laden bevölkerten. „Dann war die kleine Bude hier immer gerammelt voll.“ Fünfzig Mann auf nur wenigen Quadratmetern. Die Zeiten sind wohl vorbei. Doch die Fans werden in der nächsten Saison hoffentlich wieder da sein. Mit mehr Abstand halt. „Aber denk dran“, wirft Lars, selbst auch Schalke-Fan, spöttisch ein, „die zweite Liga spielt sonntags.“ Ein wunder Punkt.

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Wie beim Friseur

Dass Curry Heinz für sie weiter in der ersten Liga spielt, haben ihm Stammgäste wie Dirk und Lars während des Lockdowns bewiesen. Sie sind trotzdem nach Gelsenkirchen gekommen, haben eben im Auto gegessen und „das Leergut coronakonform wieder zurückgebracht“. Sie haben sich auch mit „Körriwurst in der Dose“ aus Carstens neuen Onlineshop eingedeckt und diese in die ganze Welt verschickt. Dirk hat Freunden ein „Stück Ruhrgebiet“ mit nach Finnland gebracht und selbst immer einen Vorrat im Kühlschrank. Irgendwann hat Carsten sogar ein Video von einem Kunden aus Brasilien erreicht, der sonst einmal im Jahr bei ihm vorbeikommt. „Diesmal saß er vor dem Fernseher, guckte Schalke und aß meine Currywurst“, erzählt Carsten von einem der schönen Momente während einer für ihn schwierigen Zeit. Umso besser, dass die nun vorbei ist. Denn „live ist einfach besser“, so Lars. „Hier schmeckt’s nicht nur. Wir sprechen hier die gleiche Sprache und quatschen über Gott und die Welt. Wie beim Friseur ...“

Entdeckungen im RuhrgebietPott-Geschichte(n)

Es gibt in Deutschland wohl kaum eine Region, die so fußballverrückt ist, wie das Ruhrgebiet. Singend ziehen die Menschen am Wochenende durch die Straßen, wenn ihre Teams in den Stadien von Dortmund, Bochum und Gelsenkirchen um Punkte kämpfen. Die Liebe zum Verein ist groß. Einmal Schalker, immer Schalker. Einmal BVB, immer BVB. Daran wird sich wohl auch nie etwas ändern. Eng verbunden ist diese Tradition, die Besucher bei Stadion- oder Stadtführungen beispielsweise durch den Gelsenkirchener Stadtteil Schalke hautnah mitbekommen, mit dem Bergbau. Noch bis in die 1980er Jahr prägte er das Bild vom kohlegeschwärzten Revier. Doch längst hat sich die Natur ihren Platz zwischen Industriedenkmälern wie Zeche Zollverein in Essen, Kokerei Hansa in Dortmund und dem Gasometer in Oberhausen zurückerobert. Die einstigen Halden haben sich in natürliche Naherholungsgebiete verwandelt, aus denen eindrucksvolle Skulpturen wie der begehbare Tetraeder in Bottrop oder das riesige Geleucht auf Halde Rheinpreußen bei Moers herausragen. Ganz tief eintauchen in den „Pott“ können Gäste auf der „Route der Industriekultur“ oder beim Halden-Hopping. Oder sie gesellen sich einfach mal zu den Menschen „anne Bude“. Mehr Ruhrgebiet geht nicht.

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